Berlin, 10.11.2005 - Greenpeace kritisiert die laufenden Koalitionsverhandlungen als Kuhhandel auf Kosten von Umwelt und Verbrauchern. Zwar sind bisher bei der Laufzeit von Atomkraftwerken und der Förderung Erneuerbarer Energien keine Rückschritte zur vorherigen Regierungspolitik vereinbart. Beim Thema Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln sowie in der Chemikalienpolitik sind jedoch gravierende Rückschritte offenbar schon beschlossene Sache. Die Koalition will zudem Deutschlands Vorreiterrolle im Klimaschutz aufgeben.
"Die Koalition betreibt einen schmutzigen Deal", erklärt Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin. "Die künftige Kanzlerin Merkel und ihr Vizekanzler Müntefering wollen den Landwirten und den Verbrauchern genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel aufzwingen. Sie wollen aus Rücksicht auf die Chemieindustrie Mensch und Umwelt nicht besser vor gefährlichen Chemikalien schützen. Und das alles nur, damit die Union auf ihre absurde Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke verzichtet und bei den Erneuerbaren Energien mitmacht. Die Geschädigten dieses Kuhhandels sind die Verbraucher und die Umwelt. Verbraucherschutz, gentechnikfreie Landwirtschaft, Klimaschutz und jahrelange Bemühungen um mehr Schutz vor gefährlichen Chemikalien werden dem Machterhalt geopfert."
Das erst Anfang 2005 in Kraft getretene Gentechnikgesetz soll laut Koalitionsplänen von Grund auf neu geschrieben werden, um "Forschung und Anwender zu fördern". Wichtige Errungenschaften wie das öffentliche Anbau-Kataster und die verschuldensunabhängige Haftung sind in Gefahr. Dadurch sind bisher Bauern, die keine Gen-Pflanzen anbauen, vor ungewollten gentechnischen Verschmutzungen ihrer Äcker halbwegs geschützt. Das soll sich nun ändern: CDU/CSU und SPD wollen die Gen-Bauern weitgehend von der Haftung befreien, wenn ihre Gen-Pflanzen umliegende Felder verunreinigen. "Dadurch würde die gentechnikfreie Landwirtschaft systematisch benachteiligt. Die Gentechnik wird sich schleichend auf Äckern und in Lebensmitteln ausbreiten. Das ist ein Sargnagel für die gentechnikfreie Landwirtschaft", so Stefan Krug.
Auch die EU-Chemikalienverordnung REACH soll laut Koalitionsplänen so "grundlegend verändert" werden, dass die "Herstellung von Chemikalien nicht verteuert und ihre Anwendung nicht bürokratisch behindert" wird. Dabei zeigen selbst Industriestudien, dass es zu keinen gravierenden Belastungen der Wirtschaft kommen wird. Stefan Krug: "Immer mehr Menschen bekommen durch Umweltgifte Allergien oder sogar Krebs. Union und SPD zerbrechen sich die Köpfe über Einsparungen im Gesundheitssystem. Gleichzeitig blockieren sie auf Druck der Chemieindustrie die EU-Chemikalienreform REACH, die Menschen und Umwelt besser vor Chemikalien schützen soll. Das ist kurzsichtige und verantwortungslose Politik." Nach Hochrechnungen der EU-Kommission könnten in den nächsten 30 Jahren durch die Chemikalienreform REACH 50 Milliarden Euro an Gesundheitskosten eingespart werden.
Beim Klimaschutz strebt die Koalition nur eine Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes um mindestens 30 Prozent bis 2020 an statt wie bisher 40 Prozent. Dieses Ziel ist zudem an die Bedingung geknüpft, dass die EU ihre Emissionen tatsächlich um 30 Prozent reduziert. "Wer jetzt am Klimaschutz spart, muss in Zukunft für Fluten, Stürme und Dürren zahlen", so Stefan Krug.
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