Berlin, 8. 11. 2004 – Mangelhafte Prüfungsverfahren und Kontrollen wirft Greenpeace der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority) vor, die heute und morgen eine öffentliche Tagung in Berlin veranstaltet. Die EFSA spielt mit ihren wissenschaftlichen Bewertungen der Risiken von Gen-Saaten eine wichtige Rolle für EU-Entscheidungen: EU-Kommission und Ministerrat benötigen sie für ihre Beratungen über die Zulassungen von Gen-Food und Gen-Saaten. Zahlreiche Beispiele belegen jedoch, dass die EFSA bei der Prüfung gentechnisch veränderter Organismen Hinweise auf Risiken nicht ausreichend verfolgt. Nach Ansicht von Greenpeace ist die EFSA dazu auch gar nicht in der Lage, da die Behörde durch personelle Verflechtung nicht unabhängig kontrollieren kann.
Aktuelles Beispiel: Das Zulassungsverfahren zum insektengiftigen Gen-Mais der Firma Monsanto mit dem Kürzel MON 863. In ihrer jüngsten Bewertung vom Oktober 2004 empfiehlt die EFSA erneut die europäische Zulassung. Die Behörde ignoriert damit Fütterungsversuche mit dem Gen-Mais an Ratten, bei denen deutliche Effekte bis hin zu Gesundheitsschäden beobachtet wurden. Trotz der aufgetretenen Abnormalitäten wurde der Gen-Mais für unbedenklich, die Befunde wurden als „zufällig“ und „biologisch nicht relevant“ erklärt.
Das Zulassungsverfahren zu MON 863 zeigt deutlich die Mängel innerhalb der EFSA auf: Monsanto stellte den Zulassungsantrag zunächst bei einer nationalen Behörde, in diesem Fall beim deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Dessen Stellungnahme, in der die Rattenversuche nicht einmal erwähnt wurde, ging an die EFSA, die den BVL-Bericht unabhängig prüfen soll. Tatsächlich sind jedoch Personen, die in den nationalen Behörden sitzen, oft dieselben, die der EFSA angehören. Dies gilt auch für die drei deutschen Experten, die an der MON 863-Stellungnahme beteiligt waren: Sie arbeiten zugleich für die EFSA - und kontrollieren somit in Brüssel ihre eigenen Berichte.
„Die EFSA vernachlässigt den Schutz von Umwelt und Verbrauchern“, sagt Christoph Then, Gentechnik-Experte von Greenpeace. „Damit die Behörde ihre Aufgaben wahrnehmen und unabhängig kontrollieren kann, muss sie personell entflochten werden.“
Die EFSA hat in zahlreichen weiteren Fällen versagt: Eine Greenpeace-Studie vom April 2004 zeigt, dass Gen-Pflanzen auch dann einen Freibrief von der Behörde erhalten, wenn Daten fehlen, Hinweise auf technische Fehler bei der Übertragung der Gene vorliegen und sie auffällige Veränderungen in den Inhaltsstoffen zeigen. Nur selten hat die EFSA zusätzliche Dokumente angefordert oder weitere Untersuchungen verlangt.
„Die EFSA prüft schlampig. Würde sie sorgfältig prüfen, müsste sie fast allen Gen-Saaten die Zulassung verweigern. Bei der grünen Gentechnik handelt es sich um eine brachiale Methode, für deren Sicherheit nicht garantiert werden kann und deren wissenschaftliche Grundlagen inzwischen vielfach widerlegt und überholt sind“, erklärt Then.
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