Hamburg, 13.10.2009 - Nach internen Unterlagen von EnBW, die Greenpeace vorliegen, hat der Stromkonzern EnBW die Stromproduktion seines Atomkraftwerkes (AKW) Neckarwestheim 1 über mindestens anderthalb Jahre gedrosselt. Die Strommenge des AKW wäre unter normalen Produktionsbedingungen bereits Mitte Juli 2009 aufgebraucht gewesen und der Reaktor hätte abgeschaltet werden müssen. Der Konzern wollte jedoch vermeiden, den Reaktor vor der Bundestagswahl 2009 stillzulegen. In den Papieren des EnBW-Vorstands wird vorgeschlagen, welche Unions- und FDP-Politiker in den Plan eingeweiht werden sollten. Den Medien sollte dieser Plan verschwiegen werden. Greenpeace fordert von den im Papier genannten Politikern eine Stellungnahme, ob sie von der politisch motivierten Drosselung informiert waren.
"Das ist der Beweis für den vorsätzlichen Verstoß eines Energiekonzerns gegen den Atomkonsens. Die Öffentlichkeit und Politiker von SPD, Grünen und Linken wurden zwei Jahre lang getäuscht", sagt Tobias Münchmeyer, Atomexperte bei Greenpeace. "Das zeigt, dass EnBW kein vertrauenswürdiger Akteur für weitere Energiepläne in Deutschland ist."
Öffentlich hat der Konzern die Drosselung der Stromproduktion damit begründet, den Kraftwerkspark "wirtschaftlich optimal" zu fahren. (Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 07.12.2008) Die Dokumente beweisen jedoch, dass er den Weiterbetrieb nicht aufgeben wollte.
Die Informationen stammen aus zwei internen Präsentationen des EnBW-Vorstands aus den Jahren 2007 und 2008. In dem Papier vom Jahr 2007 wird eine "kommunikative Vorbereitung" für die Drosselung der Stromproduktion vorgeschlagen. Diese solle in einer "zeitnahen Unterrichtung eines ausgewählten Kreises" erfolgen, zu denen auch der Bundeswirtschaftsminister, damals Michael Glos, sowie die "Fraktionsspitze der Union", Volker Kauder, gezählt wurde. Weiter heißt es, dass von einer "proaktiven Unterrichtung der Presse abzuraten" ist.
Von 1990 bis 2006 produzierte der Reaktor jährlich zwischen 5,4 und 6,3 Terawattstunden Strom. 2007 sank die Stromproduktion jedoch auf 4,7 Terawattstunden und 2008 sogar auf nur noch 3,8 Terawattstunden ab. Die Drosselung hat das Betriebsende somit deutlich über den Termin der Bundestagswahl am 27. September bis in den Februar 2010 verschoben. Laut des EnBW-Papiers von 2008 sollte das Ende sogar im April 2010 erreicht werden. Dabei hatte EnBW sich 2000 im Atomkonsens dazu verpflichtet, die Vereinbarung über den Atomausstieg dauerhaft umzusetzen.
"Es ist unfassbar wie skrupellos die EnBW ihren alten Schrottmeiler über die Wahlen gerettet hat", so Münchmeyer. "Neckarwestheim 1 ist der zweitälteste und zweitstöranfälligste Reaktor in Deutschland. Greenpeace fordert von EnBW, endlich mit den Taschenspielertricks aufzuhören und den Schrottmeiler stillzulegen."
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