Hamburg, 28.06.2002 - Der Betreiber der Zwischenlager Gorleben und Ahaus hat sich verrechnet. Die GNS GmbH überprüfte das Reparaturkonzept für undicht gewordene Castoren mit einem ungeeigneten Computerprogramm. Bei einer kürzlich mit einem moderneren Programm durchgeführten Kontrollrechnung flog der Fehler auf, teilte die GNS mit.
"Das ist der Elchtest für die Atomindustrie", sagt Susanne Ochse, Energieexpertin bei Greenpeace. "Über Nacht hat sich ein wichtiger Sicherheitsnachweis einfach in Luft aufgelöst." Für die Genehmigung von Zwischenlagern ist ein Reparaturkonzept für Castorbehälter festgelegt. Dieses sieht vor, dass beim Undichtwerden eines der zwei Deckel des Atommüllbehälters ein dritter Deckel auf den Castor aufgeschweißt wird. Die Schweißnaht dieses Deckels muss spannungsfrei sein, damit die hohe Radioaktivität für Jahrzehnte sicher im Castor eingeschlossen ist. Bisher gingen die Betreiber aufgrund ihrer Computersimulationen von einer solchen Reparaturmöglichkeit aus. Die dafür wichtige "Spannungsfreiheit" lässt sich aber laut Bundesamt für Strahlenschutz mit dem neuen, verfeinerten Computersimulationsprogramm nicht mehr nachweisen.
Mit dem Kippen des Reparaturkonzeptes ist eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung für die Lagerung von Castor-Behältern nicht mehr erfüllt. Greenpeace hat deshalb bei den Aufsichtsbehörden in Hannover und Düsseldorf beantragt, als Sofortmaßnahme einen Einlagerungsstopp zu verhängen. "Es kann nicht angehen, dass Behälter beladen und eingelagert werden, die die Genehmigung nicht erfüllen", sagt Ochse. Für den Herbst ist die Einlagerung von zwölf Castoren aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague in das Zwischenlager Gorleben.
"Die angebliche Sicherheit des Castors ist ein Trugschluß. Wer garantiert, dass nicht auch die anderen Sicherheitsnachweise mit ungeeigneten Simulationsprogrammen gerechnet wurden?", fragt Susanne Ochse. "Solange hier keine Überprüfungen durch Tests stattgefunden haben, steht die Sicherheit der Castoren in Frage."
In den Zulassungsverfahren für Atombehälter sind Sicherheitsnachweise per Computersimulation fast zum Standard geworden, weil die Behälterhersteller die Kosten für die Durchführung von Testreihen sparen wollen. Mit den zur Zeit am häufigsten verwendeten Castor-Typen V/19, V/52 und Castor HAW wurden weder Falltests, noch Feuertests oder Tauchtests gemacht.
Scharfe Kritik übte Greenpeace deshalb auch an der Zulassungsbehörde für Atombehälter, der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM): "Jahrelang hat die BAM Computersimulationen als zuverlässig hingestellt wie sich jetzt herausgestellt hat zu Unrecht. Für uns bleibt der Verdacht, dass für die BAM das Interesse der Castorhersteller an einem billigen und schnellen Genehmigungsverfahren wichtiger ist, als die Sicherheit."
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