Greenpeace-Gutachten belegt regelmäßige Rechtsverstöße bei Genehmigungen für industrielle Schweineställe / Minister Özdemir muss Tierschutz durchsetzen
Hamburg, 15. 5. 2023 – Zehntausende Tiere in industriellen Schweineställen sind im Falle eines Brandes von einem qualvollen Tod bedroht, weil bei der Genehmigung und Überwachung der Ställe die rechtlichen Vorgaben zum Brandschutz und die Mindestanforderungen für die Rettung der Tiere nicht erfüllt werden. Die regelmäßigen Verstöße gegen geltendes Recht und den im Grundgesetz verankerten Tierschutz belegt ein im Auftrag von Greenpeace erstelltes Rechtsgutachten des Berliner Fachanwalts für Verwaltungsrecht Ulrich Werner. Die Katastrophe von Alt Tellin, wo Ende März 2021 beim Brand eines Megastalls der LFD Holding in Vorpommern mehr als 60.000 Tiere in den Flammen verendeten, kann sich so jederzeit wiederholen.
Der im Grundgesetz verankerte Tierschutz wird offenbar systematisch den wirtschaftlichen Interessen der Fleischindustrie untergeordnet. Es ist unfassbar, dass diese politische Verantwortungslosigkeit zwei Jahre nach dem Fanal von Alt Tellin immer noch andauert. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist jetzt in der Pflicht, geltendes Recht durchzusetzen und Anlagen zu schließen, in denen tausende Tiere unter Missachtung des in der Verfassung vorgegebenen Schutzgebots gehalten werden.Matthias Lambrecht, Landwirtschafts-Experte
Das Gutachten kommt nach Auswertung der Genehmigungs- und Überwachungspraxis bei zehn industriellen Megaställen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen zu dem Ergebnis, dass Vorgaben der Landesbauordnungen nicht nur fehlerhaft ausgelegt, sondern systematisch ignoriert werden. So wurde regelmäßig die Vorgabe missachtet, in Abständen von maximal 40 Metern Brandwände zu errichten. Außerdem wurden – abweichend von den klaren Vorgaben der Landesbauordnungen – keine Anforderungen an die brandschutztechnische Bemessung der tragenden Bauteile gestellt. Damit wäre die Rettung der überwiegenden Zahl der Tiere in den untersuchten Ställen im Brandfall unmöglich.
Eine Katastrophe wie in Alt Tellin kann sich jeden Tag wiederholen. Es gibt kein Recht auf den Weiterbetrieb dieser brandgefährlichen Anlagen. Wenn der verantwortliche Bundesminister dieser rechtswidrigen Praxis nicht umgehend ein Ende bereitet, drohen weitere Großbrände, bei denen Tiere in großer Zahl qualvoll sterben müssen.Matthias Lambrecht, Landwirtschafts-Experte
Grundlage der Prüfung sind Genehmigungen, Brandschutzkonzepte, behördliche Prüfberichte und Überwachungsdaten. Diese wurden bei den zuständigen Behörden nach den jeweiligen Landesumweltinformationsgesetzen beispielhaft für Anlagen der LFD-Holding abgefragt. Die Holding hat 2015 die Ställe des niederländischen Züchters Adrian Straathof übernommen, gegen den ein Landkreis in Sachsen-Anhalt wegen Verstößen gegen den Tierschutz ein Tierhaltungsverbot verhängt hatte. Der Betreiber der Anlage in Alt-Tellin ist Deutschlands größter Ferkelzüchter. Mehrheitsgesellschafter ist die Terra Grundwerte AG mit Sitz im Schweizer Steuerparadies Obwalden.
Über Greenpeace e.V.
Greenpeace arbeitet international, setzt sich mit direkten, gewaltfreien Aktionen für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur und Gerechtigkeit für alle Lebewesen ein.
Das verwendete Bildmaterial steht 14 Tage nach Veröffentlichung zum Download für Medien zur Verfügung. Lieferbedingungen: keine Weitergabe an Dritte, kein Weiterverkauf, keine Archivierung, nur für redaktionelle Zwecke, Quellenangabe obligatorisch.
Kontaktdaten
-
- Matthias Lambrecht
- Experte für Agrarwende
- matthias.lambrecht@greenpeace.org
- 0151-42433135
-
- Nina Kloeckner
- Pressesprecherin Agrarwende
- nina.kloeckner@greenpeace.org
- 0160-4339100
Link kopieren
https://presseportal.greenpeace.de/226100-behorden-erlauben-brandgefahrliche-megastalleVerwandte Themen
Verwandte Presseaussendungen
Stellungnahme zum Vorschlag von Olaf Scholz, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel zu senken
Olaf Scholz will den Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent abzusenken. Greenpeace begrüßt den Vorschlag und fordert eine generationenübergreifend klimagerechte Mehrwertste...
Klimakrise: Greenpeace-Aktive protestieren gegen Methanemissionen aus Fleisch- und Milchindustrie
Auf die besondere Verantwortung der Fleisch- und Milchindustrie in der Klimakrise machen Aktivist:innen von Greenpeace heute bei der Unternehmensgruppe Theo Müller aufmerksam. Mit hohen Milchtüten,...
Greenpeace-Molkerei-Ranking: Weidemilch bleibt Nischenprodukt
Die zweite Molkerei-Abfrage von Greenpeace zeigt, dass die Molkereien weiter hauptsächlich Milch verarbeiten, die von Kühen stammt, die das ganze Jahr im Stall stehen.
Greenpeace-Stellungnahme zum heute vom BMEL vorgestellten Erntebericht 2024
Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht fordert von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mehr Einsatz für Klimaanpassungen in der Landwirtschaft, statt erneut vor der Agrarlobby ...
Supermarkt-Check von Greenpeace: Kleine Fortschritte auf dem Weg zu Fleisch aus besserer Haltung
Die großen Lebensmittelhändler haben den Anteil an Billigfleisch in ihrem Sortiment schneller als im Vorjahr reduziert. Dennoch macht Fleisch aus den schlechtesten Haltungsformen 1 und 2 trotz des ...