Rechtsgutachten: Gesetzliche Regelungen sind unzureichend, um Missstände in der Milchviehhaltung zu beheben

Minister Özdemir muss Tierschutzgesetz und Haltungsverordnung überarbeiten

Berlin, 3. 4. 2023 – Milchkühe werden in Deutschland oft unter schmerz- und leidvollen Bedingungen gehalten, die mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind. Viele Tiere müssen das ganze Jahr im Stall stehen, werden dort zum Teil über Monate fixiert oder sind in zu engen Laufställen ohne Auslauf und Weidegang untergebracht. Ein heute von Greenpeace veröffentlichtes Rechtsgutachten zeigt, dass häufig gegen den gesetzlichen Tierschutz verstoßen wird. Bislang fehlen Mindestanforderungen, die die Haltung von Milchkühen gesetzlich regeln.

Deutschland braucht dringend eine klare Rechtsvorschrift, wie die Millionen Milchkühe hier gehalten werden dürfen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir muss dazu einen Vorschlag für nationale Mindestvorgaben vorlegen. Milchkühe ganzjährig anzubinden und die Hornanlagen bei Kälbern ohne Schmerz- und Betäubungsmittel auszubrennen, gehört umgehend verboten.  Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace

Zucht auf hohe Milchmengen macht Tiere krank

Die einseitige Zucht auf maximale Milchleistung belastet die Gesundheit vieler Kühe und führt häufig zu Stoffwechselstörungen, Unfruchtbarkeit, Euterentzündungen und Klauenkrankheiten. Dies betrifft besonders die in Deutschland weit verbreitete, auf hohe Milchleistung spezialisierte Rinderrasse Holstein Friesian. Anstatt die Ursache der Krankheiten, die leistungsbedingte Überforderung der Tiere zu bekämpfen, wird versucht, die Krankheiten mit Infusionen, Antibiotika und Hormonen klein zu halten. Trotz häufiger Behandlungen werden Milchkühe in Deutschland jedoch nur vier bis fünf Jahre alt. Die natürliche Lebenserwartung von Kühen liegt bei 15 bis 20 Jahren. 

Die angezüchtete hohe Milchleistung bringt derartige starke und häufige Beeinträchtigungen der Gesundheit mit sich, dass dies bei Hochleistungskühen qualzüchterische Ausmaße annimmt. Es bedarf daher dringend konkreter Regelungen, wann bei Milchkühen von Qualzucht im Sinne des Tierschutzgesetzes auszugehen ist. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ist verpflichtet, dem Staatsziel Tierschutz aus Art 20a GG Rechnung zu tragen. Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn

In Deutschland werden rund 3,8 Mio. Milchkühe gehalten, die insgesamt 33 Mrd. Liter Milch im Jahr erzeugen. Laut Milchindustrieverband ist die durchschnittliche Milchleistung der Kühe in den vergangenen Jahren stark gestiegen und liegt heute im Durchschnitt bei 8.500 Litern Rohmilch pro Tier und Jahr. Eine Greenpeace-Analyse hat gezeigt, dass nur noch knapp ein Drittel der Milchkühe im Sommer überhaupt auf die Weide kommt. In den Stallanlagen sind aus Kostengründen häufig zu geringe Liege- und Fressbereiche und der Bewegungsspielraum eingeschränkt, so dass die Tiere sich nicht artgerecht verhalten können. 

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