Berlin, 02.06.2006 - Experimentelle Gen-Pflanzen sollen zukünftig ohne gesundheitliche Sicherheitsprüfung in die Nahrungskette gelangen dürfen. Dies geht aus einem geheimen Entwurf des angekündigten Grundsatzpapiers des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Gentechnik in der Landwirtschaft hervor, das Greenpeace vorliegt.
Laut internem Aktenvermerk will das Ministerium den Verstoß gegen EU-Recht bewusst in Kauf nehmen. Zudem sollen die Abstände von Gen-Maisfeldern zu Bio-Betrieben entgegen der derzeitigen Praxis auf nur noch 150 Meter abgesenkt werden. Auch andere Regeln sollen zum Vorteil von Gen-Bauern verändert werden. Greenpeace fordert dagegen seit langem ein Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen.
"Minister Seehofer verspricht Schutz vor Kontamination, während sein Ministerium bereits den Gen-Anbau auf Kosten unserer Sicherheit organisiert und zugunsten der Gen-Forscher und Gen-Firmen sogar den Bruch von EU-Recht plant", protestiert Henning Strodthoff, Gentechnik-Experte von Greenpeace. "Damit werden wir alle als Verbraucher zu Versuchstieren gemacht."
Versuchspflanzen dürfen ohne umfangreiche Sicherheitsprüfungen der Risiken für Mensch und Umwelt nicht auf den Markt gebracht werden. In dem internen Aktenvermerk heißt es aber, dass "(...) die Auskreuzungsprodukte gesetzlich vom Bedürfnis einer Inverkehrbringensgenehmigung auszunehmen" sind. Das heißt auch verunreinigte Produkte würden so z.B. in Tierfutter oder Lebensmitteln landen. Das verstößt gegen EU-Recht. Die Verunreinigungen können von experimentellen Freisetzungen oder Importen stammen, deren Sicherheit in Europa nie überprüft wurde. Die Bundesregierung hatte auf Druck von Forschung und Industrie schon im Koalitionsvertrag im Herbst 2005 festgelegt, dass Auskreuzungen aus Versuchsfeldern und Kontamination mit nicht zugelassenen Pflanzen legalisiert werden sollen. Damit sollen Forschung und Industrie vor rechtlichen Folgen und Haftung geschützt werden.
Die europäische Kommission hat der Bundesregierung eine solche Regelung jedoch bereits schriftlich untersagt. Dagegen will das Bundeslandwirtschaftsministerium offensichtlich bewusst verstoßen. In dem Aktenvermerk, der Greenpeace vorliegt, heißt es: "Es ist wahrscheinlich, dass die KOM (Europäische Kommission) die genannte Regelung beanstanden wird mit der Folge, dass die Stillhaltefrist bis zur Verabschiedung des Gesetzes sechs Monate beträgt und sich ein Vertragsverletzungsverfahren anschließen könnte."
Laut Entwurf des Grundsatzpapiers vom 26. Mai 2006 schlägt das Seehofer-Ministerium außerdem einen Mindestabstand "von 150 Metern zwischen der Anbaufläche mit gentechnisch verändertem Mais und dem Rand einer Anbaufläche mit nicht gentechnisch verändertem Mais (...) vor". "Diese Abstände sind zu gering, selbst Monsanto schreibt Gen-Bauern den doppelten Abstand zu Bio-Bauern vertraglich vor", erläutert Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. In Monsantos vertraulichen Anbauverträgen wird Gen-Bauern sogar ein Abstand von 300 Metern vorgeschrieben. "Das Seehofer-Ministerium nimmt damit Kontaminationen benachbarter Felder offensichtlich bewusst in Kauf", so Janßen weiter.
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