Hamburg, 23.06.2006 - Die Umweltorganisation Greenpeace veröffentlicht heute die Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung, das die langfristigen Auswirkungen des Verteilungsplanes von Emissionszertifikaten untersucht hat. Mit Emissionszertifikaten erhalten Energiekonzerne Verschmutzungsrechte, weil sie etwa bei der Verstromung von Kohle Treibhausgase in die Luft blasen. Die Analyse der aktuellen Verteilungspläne für Verschmutzungsrechte (NAP II) der drei EU-Länder Deutschland, Großbritannien und der Niederlande zeigt erhebliche Mängel auf. So kommen die Klimaforscher des Karlsruher Instituts zu einem vernichtenden Ergebnis: Die Klimaschutzpolitik der drei Staaten sei kurzsichtig, von Industrieinteressen dominiert und mit langfristigen Klimaschutzzielen nicht vereinbar.
"Deutschland hat die Chance vertan, mit dem Klimaschutzinstrument des Emissionshandels die Wirtschaft auf einen langfristigen klimaverträglichen Pfad zu lenken", so Prof. Dr. Joachim Schleich vom Fraunhofer-Institut und Autor der Studie. Der Umweltökonom kritisiert, dass die Menge an Zertifikaten, die an die Industrie verteilt werden, in allen drei Mitgliedsstaaten zu hoch sei. Die kostenlose Zuteilung führe im Ergebnis zu einer Subventionierung der Energiewirtschaft. Die geplanten Zuteilungsregelungen für Neuanlagen zementierten die vorhandenen Energiestrukturen. Die in den drei Ländern angewandten Regeln schwächten den marktwirtschaftlichen Ansatz des Emissionshandels und erhöhten so die Kosten des Klimaschutzes für die Gesamtgesellschaft.
Außerdem sind die langfristigen Klimaschutzziele so nicht erreichbar, weil die Länder den Emissionshandel nicht nutzen, um langfristig Investitionen in saubere Technologien zu lenken. Diese sind aber unabdingbar, um die mittelfristigen und langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen. Es geht um eine Verminderung der klimaschädlichen Treibhausgase von minus 40 Prozent für 2020 und minus 80 Prozent für 2050. Diese Reduktionsziele werden von Klimaexperten für Deutschland für notwendig erachtet, um den globalen Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad Celcius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Das Gutachten untermauert die Kritik von Greenpeace an Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Er will die Zertifikate zum Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid an die Energiekonzerne kostenfrei abgeben. Damit würde die Wirtschaft bis 2012 mit circa zehn Milliarden Euro pro Jahr beschenkt. "Die Klimapolitik von Umweltminister Sigmar Gabriel ist sozial unausgewogen, industriehörig und klimapolitisch ein Fiasko", urteilt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Die Entscheidung gegen die Versteigerung der Verschmutzungsrechte ist eine Entscheidung gegen eine konsequente Klimaschutzpolitik und gefährdet vor allem die Einhaltung zukünftiger Klimaschutzziele. Obwohl die SPD-Landesverbände Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Hessen sich eindeutig für eine Versteigerung der Verschmutzungsrechte ausgesprochen haben, hat sich innerhalb der SPD der Landesverband Nordrhein-Westfalen durchgesetzt, der für eine klimafeindliche Kohlepolitik steht.
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