Hamburg, 26.06.2009 - Wider besseres Wissen hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht vor Erteilung der Wiederanfahrgenehmigung für das Atomkraftwerk Krümmel mitgeteilt, es gebe "nach der aktuellen Lagebewertung des BKA" keine Anhaltspunkte dafür, dass sich "die Gefahr durch Anschläge mittels Luftfahrzeugen gegenüber dem Jahr 2002 erhöht hat". Greenpeace liegt jedoch ein internes Dokument des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2007 vor, in dem die Behörde sehr wohl eine Verschärfung der Sicherheitslage feststellt. Greenpeace fordert, den Atomreaktor in Krümmel sowie die sieben ältesten deutschen AKW sofort abzuschalten.
"Normalerweise hält sich Bundesinnenminister Schäuble nicht zurück, wenn es darum geht, vor Angriffen auf die innere Sicherheit zu warnen", sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. "Warum hat er die aktuelle Gefahrenbewertung des BKA in diesem Fall unterschlagen? Schäuble hat die Atomaufsicht von Schleswig-Holstein in Sicherheit gewiegt, damit sie dem Pannenreaktor Krümmel die Wiederanfahrgenehmigung erteilt. Damit hat er auch die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt."
In dem BKA-Papier aus dem Jahr 2007 heißt es "(...) die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge auf kerntechnische Einrichtungen (ist) zwar als gering anzusehen, muss aber letztendlich in Betracht gezogen werden." Noch im Jahr 2001 hingegen schätzte das BKA Anschläge gegen Atomanlagen als "nicht im Bereich des Wahrscheinlichen" ein und verwies auf die von potentiellen Terroristen beabsichtigte "höchste Symbolwirkung" ihrer Taten.
Die mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst abgestimmte Bewertung zur "Gefährdungslage inländischer kerntechnischer Einrichtungen" sieht 2007 nun eine Verlagerung des "Ziels der Täter" weg von der symbolischen Wirkung hin zur "Verursachung größtmöglicher Personenschäden unter der Zivilbevölkerung". Der Bericht stellt fest: "Da bei einem Anschlag gegen eine kerntechnische Einrichtung aus Sicht der Täter mit einer Vielzahl von Opfern zu rechnen ist, müssen diese (...) als geeignet angesehen werden."
Laut Atomgesetz (AtG) darf die Genehmigung für ein Atomkraftwerk nur dann erteilt werden, wenn der "erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist" (AtG Paragraph7 Abs. 2 (5)). Genehmigungen sind zu widerrufen, wenn "dies wegen einer erheblichen Gefährdung (...) der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann" (AtG Paragraph 17 Abs. 3 (5)).
Krümmel ist, wie die Mehrzahl deutscher Atomkraftwerke, nicht gegen den Aufprall eines Flugzeugs geschützt. Laut einem internen Gutachten der Internationalen Länderkommission Kerntechnik (ILK, 2002) ist "eine bauliche Ertüchtigung ... aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht machbar bzw. nicht sinnvoll". Das ILK-Gutachten warnt im Fall eines Aufpralls vor "schweren bis katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Stoffe". "Die Gefahr ist real. Krümmel gefährdet die Menschen und muss stillgelegt werden", so Edler.
Über Greenpeace e.V.
Greenpeace arbeitet international, setzt sich mit direkten, gewaltfreien Aktionen für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur und Gerechtigkeit für alle Lebewesen ein.
Das verwendete Bildmaterial steht 14 Tage nach Veröffentlichung zum Download für Medien zur Verfügung. Lieferbedingungen: keine Weitergabe an Dritte, kein Weiterverkauf, keine Archivierung, nur für redaktionelle Zwecke, Quellenangabe obligatorisch.
Kontaktdaten
-
- Pressestelle
- Allgemeine journalistische Anfragen, Erreichbarkeit montags bis freitags 9-14 Uhr
- presse@greenpeace.de
- 040-30618340
-
- Fotoredaktion
-
Anfragen für Bilder //
Mediendatenbank unter media.greenpeace.org - photo@greenpeace.de
-
- Videodokumentation
-
Anfragen für Videomaterial //
Mediendatenbank unter media.greenpeace.org - video@greenpeace.de
Verwandte Themen
Verwandte Presseaussendungen
Greenpeace-Studie: Energiehunger von Künstlicher Intelligenz gefährdet Energiewende
Der Energiebedarf von KI-Anlagen gefährdet die Fortschritte der weltweiten Energiewende, so eine aktuelle Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace
Greenpeace-Stellungnahme zum vorerst abgewendeten Konkursverfahren von Nord Stream 2
Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid warnt vor den ökologischen und geopolitischen Folgen der Inbetriebnahme von Nord Stream 2
Greenpeace-Stellungnahme zu EU-Maßnahmenpaket gegen russische Energieimporte
Die Europäische Kommission will Gasimporte aus Russland bis 2027 vollständig stoppen. Heute hat sie Maßnahmen angekündigt, mit denen sie dieses Ziel erreichen will.
1200 Menschen demonstrieren in Reichling gegen Gasbohrungen in Bayern
In Reichling haben 1200 Menschen gegen Gasbohrungen in Bayern protestiert. Fridays for Future, Bund Naturschutz, Greenpeace, Protect the Planet und die örtliche Bürgerinitiative hatte zu der Kundge...
Greenpeace-Studie: Speichervolumen von CO2-Endlagern in der Nordsee stark überschätzt
Die geplanten Endlager für Kohlenstoffdioxid in der Nordsee können nicht so viel klimaschädliches CO2 aufnehmen wie von der Politik in Aussicht gestellt, so eine aktuelle Studie von Greenpeace.