Hamburg, 13.3.2002 - Die Rot-Grüne Bundesregierung will den Verbraucherschutz zu Gunsten der Chemieindustrie verwässern. In einem Positionspapier, das Greenpeace vorliegt, fordert Berlin erhebliche Abstriche bei einem von der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament vorgeschlagenen Maßnahmenpaket zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt vor gefährlichen Chemikalien. Das Papier haben Kanzleramt, Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Verband der Chemischen Industrie und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie als Stellungnahme zum Weißbuch der EU-Kommission Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik geschrieben.
Manfred Krautter, Chemieexperte von Greenpeace: “Die Bundesregierung macht unverblümt gemeinsame Sache mit der Chemieindustrie: Sie interveniert bei der EU für den Schutz der Giftproduzenten und gegen den Schutz der Verbraucher und der Umwelt vor gefährlichen Stoffen. Die Menschen müssen aber vor gefährlichen Giften geschützt werden, nicht die Chemieindustrie vor den dafür notwendigen Gesetzen!”
Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen den Menschen und der Umwelt noch auf unbestimmte Zeit giftige Produkte zugemutet werden. “In einer toxischen Allianz mit der Chemieindustrie ist die Bundesregierung gegen eine Frist, ab der gefährliche Stoffe aus Konsumprodukten wie Spielzeug und Textilien verschwinden sollen,” so Krautter. Eine solche Befristung bis zum Jahr 2012 hatte das Europäische Parlament jedoch ausdrücklich gefordert. Die Bundesregierung verstößt auch gegen die von ihr selbst 1998 eingegangene internationale Verpflichtung bei der OSPAR-Konvention, bis zum Jahr 2020 die Freisetzung gefährlicher Stoffe in die Umwelt auf Null zu reduzieren.
Weitere brisante Punkte: kein Vorsorgeprinzip bei der Zulassung von gefährlichen Chemikalien; die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Aspekten, wenn hochgiftige Stoffe ersetzt werden sollen; die von der Industrie gelieferten Stoffdaten sollen nicht, wie eigentlich notwendig, unabhängig überprüft werden; Chemikalien unterhalb einer Menge von 1000 kg/ Jahr sollen nicht mehr erfaßt werden - etwa 80 Prozent der neuen Industrie-chemikalien würden dadurch nicht mehr vom Chemikalienrecht erfaßt werden.
Noch immer werden in der EU zahllose gefährliche Chemikalien in Konsumprodukten eingesetzt und gefährden die Gesundheit der Verbraucher. Außerdem werden etwa 30.000 Chemikalien in der EU ohne ausreichende Prüfung vermarktet. Einige wenige Greenpeace-Forderungen fanden allerdings Eingang in die Regierungsposition. So sollen schwer abbaubare, sich in der Umwelt anreichernde und Allergie auslösende Stoffe in die geplante Zulassungspflicht für gefährliche Chemikalien aufgenommen werden. Dennoch fordert Greenpeace von Bundeskanzler Gerhard Schröder eine gründliche Korrektur seiner verbraucher- und umweltgefährdenden Chemiepolitik: Keine Vermarktung gefährlicher und ungeprüfter Chemikalien.
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