Hamburg, 19. 10. 2016 – In letzter Minute versucht die Bundesregierung, schärfere europäische Grenzwerte für Emissionen aus Kohlekraftwerken zu verhindern. Das belegt eine Email des Bundesumweltministeriums von Ende September im Auftrag der Ministerin Barbara Hendricks (SPD) an die Expertenrunde der EU-Kommission, die Greenpeace vorliegt.* Laschere Grenzwerte würden besonders gesundheits- und umweltschädlichen deutschen Braunkohlekraftwerken erlauben, ohne Nachrüstung am Netz zu bleiben. Morgen will die Expertenkommission ihre Empfehlungen für neue Grenzwerte beschließen, die die Luftqualität in Europa deutlich verbessern sollen. Die Verhandlungen dazu laufen bereits seit dem Jahr 2011. „Die Braunkohleindustrie ist der Bundesregierung offenbar wichtiger als die Gesundheit der Menschen“, sagt Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. „Diese EU-Entscheidung gilt für die nächsten Jahrzehnte, in denen sich viel verbessern muss. Besonders dreckige Klimakiller dürfen nicht länger ungehindert die Luft verpesten.“
Profitieren würden 21 Blöcke deutscher Braunkohlekraftwerke, deren Emissionen den bisher geplanten neuen Grenzwert von 175 Milligramm (mg) Stickoxid pro Kubikmeter Luft überschreiten. Sie müssten zum Teil erheblich nachgerüstet werden, um weiter laufen zu dürfen. Das haben die Klimaallianz, Greenpeace und das europäische Umweltbüro (EEB) analysiert. Um den alten und schmutzigen Kraftwerken Investitionen zu ersparen, beharrt das Umweltbundesamt auf einem Stickoxidwert von 190 mg pro Kubikmeter Luft. Derzeit dürfen Kraftwerke bis zu 200 mg ausstoßen. Neben dem Verkehr sind Kohlekraftwerke die wichtigste industrielle Quelle von Stickoxidemissionen und tragen erheblich zur dauerhaften Luftbelastung bei.
Nach den gemeinsamen Berechnungen könnten die Betreiber großer Kohlekraftwerke massive Gesundheitsfolgen in der Bevölkerung vermeiden, setzten sie den aktuellen Stand der Technik um. Giftige Emissionen von Stickoxid, Schwefeldioxid, Feinstaub und Quecksilber verursachen jährlich in Deutschland rund 4070 vorzeitige Todesfälle und 81.410 schwere Erkrankungen wie beispielsweise Asthma. Würden die Betreiber ihre Kraftwerke entsprechend dem Stand der Technik betreiben, so könnten 3020 vorzeitige Todesfälle jährlich vermieden und rund 8.26 Milliarden Euro an Gesundheitskosten den Bürgern erspart bleiben. Das entspräche 115.6 Milliarden Euro falls die Anlagen bis zum Jahr 2030 liefen.
Greenpeace fordert Umweltministerin Hendricks daher auf, sich für scharfe Grenzwerte bei Stickoxiden einzusetzen. „Kein Land der Welt verheizt so viel dreckige Braunkohle wie Deutschland“, so Smid. „Für die Gesundheit der Menschen und für das Klima muss damit Schluss sein. Bis spätestens 2030 muss das letzte Braunkohlekraftwerk von Netz gehen, damit Deutschland seine Zusagen im Klimaschutz erreichen kann.“
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