Hamburg, 29.12.2016: Der Versuch der Bundesregierung, die Industrie freiwillig zu einem Verzicht auf Mikroplastik in Kosmetik und Reinigern zu bewegen, ist gescheitert. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Umweltverschmutzung durch Mikroplastik aus Kosmetika und Reinigungsmitteln“ hervor. Dabei äußert sich das Bundesumweltministerium unter anderem zu den Vereinbarungen mit der Industrie im Rahmen des sogenannten Kosmetikdialogs. Demnach wollen die Hersteller nur auf feste Plastikpartikel verzichten. Es kommentiert Sandra Schöttner, Meeresexpertin von Greenpeace:
„Der Kosmetikdialog zu Mikroplastik ist nur eine Scheinlösung. Für die Branche ist es ein willkommener Freifahrtschein, um künftig werbewirksam einen geringen Teil der Kosmetik- und Reinigungsprodukte als frei von Mikroplastik bezeichnen zu können. Dieser löchrige Deal zwischen dem Bundesumweltministerium und der Kosmetikindustrie wird die Plastikflut aus unseren Badezimmern kaum stoppen.
Jeden Tag gelangen unzählige Kunststoffe aus Shampoos, Cremes, Make-up oder Waschmitteln über unsere Abwässer in Flüsse und Meere. Dort reichern sie auch in der Nahrungskette an – mit größtenteils noch unbekannten Folgen. Greenpeace fordert: Statt den Umweltschutz der Industrie zu opfern, sollte Umweltministern Barbara Hendricks schleunigst ein umfassendes Verbot von Mikroplastik in die Wege leiten. Auf Kunststoffe in Kosmetik- und auch Reinigungsmitteln zu verzichten, ist keine Raketenwissenschaft – die Naturkosmetik zeigt seit Jahren, wie es geht.“
- Flüssiges, wachsartiges, pastöses oder pulvriges Mikroplastik ist im freiwilligen Ausstiegsplan der Industrie nicht inbegriffen (ebenso wenig Nanopartikel). Fast alle konventionellen Kosmetikprodukte enthalten jedoch solche Kunststoffe in der unterschiedlichsten Form, Zusammensetzung oder auch Funktion. Feste Plastikpartikel spielen dabei längst nicht die einzige oder gar die Hauptrolle. Doch die Hersteller wollen lediglich auf feste Plastikpartikel verzichten – also nur einen Bruchteil der Plastikbelastung angehen. (Frage 1a)
- Der Verzicht auf Mikroplastik beschränkt sich auf sogenannte „rinse-off“ Produkte wie Peeling, Shampoo oder Zahnpasta, die in der Regel noch während der Anwendung vom Körper abgewaschen werden. Dabei ignorieren Politik und Industrie völlig, dass auch Kunststoffe aus sogenannten „leave-on“ Produkten wie Bodylotion, Haargel oder Make-up täglich über Waschbecken oder Dusche in unsere Abwässer gelangen. (Frage 1c)
- Die Bundesregierung hat keinen Plan zur Handhabung von Importwaren. Ihr liegen laut eigener Aussage „keine Erkenntnisse vor“, wie sichergestellt werden soll, dass auch importierte Produkte mikroplastikfrei sind. Ein Blick in die Regale deutscher Drogerien, Supermärkte und Apotheken zeigt: Neben den großen deutschen Herstellern wie Beiersdorf und Henkel sind dort zahlreiche internationale Konzerne vertreten – darunter auch solche, die einen Verzicht auf Mikroplastik bisher alles andere als ernst nehmen. (Frage 6)
- Die Umsetzung des freiwilligen Verzichts auf Mikroplastik muss erst bis zum Jahr 2020 abgeschlossen sein. Erst dann sollen notfalls neue Maßnahmen überlegt werden, wie etwa ein Vorstoß für ein EU-weites Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten. Das widerspricht der EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie, die den europäischen Mitgliedsstaaten vorschreibt, die Meere bereits bis zum Jahr 2020 in einem guten Umweltzustand zu erhalten. Außerdem hat die Bundesregierung keine tragfähige Strategie zur Überwachung des Fortschritts – sie verlässt sich ausschließlich auf das Versprechen der Kosmetikindustrie, einen eigenen Fortschrittsbericht vorzulegen. (Frage 7)
- Die Bundesregierung hat „keine Erkenntnisse“ zur Umweltverträglichkeit von Mikroplastik in nicht-fester Form – und fordert diese auch nicht von den Herstellern ein. Erste negative Auswirkungen von festem Mikroplastik auf die Meeresumwelt sind bereits bekannt, zum Beispiel die Anreicherung schadstoffbelasteter Plastikpartikel in Speisefisch. Für die meisten der zahlreichen Kunststoffe, die in konventionellen Kosmetikprodukten eingesetzt werden, gibt es jedoch von vorneherein keine oder nur sehr lückenhafte Kenntnisse zu deren Verhalten und Schädlichkeit in der Umwelt. Das ist aus Greenpeace-Sicht ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip. (Frage 17)
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