Hamburg, 29. 6. 2019 – Die Kriterien des geplanten Tierwohl-Labels sind so schwach, dass auch Schweinefleisch aus gesetzeswidriger Tierhaltung das staatliche Gütesiegel erhalten kann. Das zeigt ein neues Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace. Dieses analysiert, inwiefern die bisher für die Verordnung geplanten Kriterien wie Platz, Futter oder Kastration mit deutschem und europäischem Recht vereinbar sind. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will das Rahmengesetz für das Fleischsiegel noch vor der Sommerpause durch das Kabinett bringen. „Das sogenannte Tierwohl-Label fördert Tierleid”, sagt Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. „Das Kabinett darf sich von dieser Nebelkerze nicht täuschen lassen. Es muss Klöckners Gesetzesentwurf mit der zugehörigen Verordnung ablehnen.“
Insbesondere die Kriterien für die erste Stufe der dreiteiligen Kennzeichnung sind weit davon entfernt, eine Haltung zu etablieren, die den rechtlichen Anforderungen entspricht. So dürfte etwa Schweinefleisch mit dem staatlichen Tierwohl-Label beworben werden, obwohl den Tieren kurz nach der Geburt routinemäßig die Ringelschwänze abgeschnitten wurden. Das jedoch ist seit 1994 in der EU untersagt und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Auch beim Platzangebot gibt es in der ersten Stufe kaum Verbesserungen zum gesetzlichen Mindeststandard. Dieser beträgt lediglich 0,75 Quadratmeter für ein 110 Kilo schweres Mastschwein. Bekommt das gleiche Schwein die Fläche von zweieinhalb DIN A4-Blättern mehr Platz, erfüllt das bereits die Definition Klöckners von Tierwohl. “Kein Schwein kann auf so wenig Raum ungestört ruhen, geschweige denn sich artgerecht bewegen“, sagt Töwe. Die Folgen für die Tiere sind belegt: Stress, Schmerzen, Erkrankungen und Verhaltensstörungen.
Das geplante Tierwohl-Label steht auch in der Kritik, weil es nicht verpflichtend gelten soll und damit nur einen Teil der Schweinefleischprodukte abdecken würde. Zudem hat der Handel die Politik inzwischen mit einer eigenen Kennzeichnung überholt. „Eine staatlich verpflichtende Haltungskennzeichnung würde zeigen, wie miserabel Schweine heute den meisten Ställen gehalten werden. Nur mit dieser Transparenz können Verbraucherinnen und Verbraucher eine gute Kaufentscheidung treffen“, sagt Töwe.
In einem früheren Rechtsgutachten hat Greenpeace schon 2017 nachgewiesen, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Schweinehaltung dem Staatsziel Tierschutz widersprechen. Der Berliner Senat hat im Januar 2019 eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der unzureichenden Tierhaltungsvorschriften eingereicht. Das zuständige Landwirtschaftsministerium (BMEL) unternimmt jedoch bis heute nichts. „Ministerin Klöckner verschleppt seit ihrem Amtsantritt die dringend nötige Reform der Tierhaltung“, sagt Töwe. “Sie muss zügig für einen artgerechten Umbau der Schweinehaltung sorgen.”
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