Hamburg, 10.09.2019 Wegen tierschutzwidriger Haltung von Muttersauen in Käfigen hat Greenpeace fünf landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern angezeigt.
Neues Bildmaterial zeigt die Tiere in zu kleinen Kastenständen sowie die Folgen dieser Qualhaltung: In allen Betrieben wurden Sauen mit Fleischwunden und Stresssymptomen wie zum Beispiel schaumige Mäuler und sogenanntes “Leerkauen” dokumentiert. Die Tiere können nicht ungestört ruhen oder ihren Liege- und Kotbereich trennen. “Muttersauen in engen Käfigen einzupferchen, ist pure Tierquälerei und verstößt gegen Verfassung und Tierschutzgesetz”, sagt Stephanie Töwe, Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin. ”Es ist kaum zu ertragen, wie mitleidlos und brutal die Fleischindustrie mit fühlenden und intelligenten Lebewesen umspringt. Der Kastenstand gehört abgeschafft.”
Deutsche Betriebe müssen sich an das Tierschutzgesetz (TierSchG) und die derzeit geltende Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) halten. Nach Expertenmeinung konkretisiert diese die Vorgaben des TierSchG dabei nur unzureichend und ist deshalb gesetzeswidrig. Seit 27 Jahren gelten jedoch sogar nach den schwachen Vorgaben der TierSchNutztV Größenvorgaben für die Eisenkäfige, nach denen die Muttertiere ungestört ruhen und sich ausstrecken können müssen. Diese Auslegung wurde zuletzt durch das Bundesverwaltungsgericht 2016 bestätigt. Dennoch ignorieren zahlreiche Betriebe diese Vorgabe seit Jahren.
Ein neuer Verordnungsentwurf von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sieht nun allerdings vor, diese Vorgabe zu streichen und den Betrieben weitere 15 bis 17 Jahre für den Bau minimal größerer Eisenkäfige zu geben. “Frau Klöckner hat sich Tierwohl auf die Fahnen geschrieben – gleichzeitig plant sie, jahrzehntelange Missstände in der Schweinehaltung zu legalisieren und zu zementieren. Das ist ein typisches Beispiel für die politische Doppelmoral der Ministerin”, so Töwe. “Käme dieser Entwurf durch, wäre das Beihilfe zur Tierquälerei.”
Ob die schwachen Haltungsvorschriften nach Klarstellung des Bundesverwaltungsgerichts mittlerweile eingehalten und kontrolliert werden, hat Greenpeace im Juni unter anderem mit Berufung auf das Umweltinformationsgesetz (UIG) in 25 Landkreisen mit besonders viel Tierhaltung nachgefragt. Darunter befinden sich auch die drei Landkreise, aus denen das belastende Bildmaterial stammt. Der bisherige Stand: Nach offiziellen Angaben gab es teilweise Kontrollen, aber kaum Beanstandungen. Die in Niedersachsen kontaktierten Veterinärämter, zuständig für die Stallkontrollen, verweigerten sogar die Auskunft. “Die furchtbaren Bilder aus den Schweineställen zeigen klar, dass Politik und einige Kontrollbehörden lieber Tierleid hinnehmen, als geltendes Recht durchzusetzen”, so Töwe. Ställe mit Massentierhaltung werden in Deutschland im Schnitt nur alle 17 Jahre kontrolliert. Greenpeace fordert eine arten- und klimaschonende Landwirtschaft – mit weniger Tieren in einer artgerechten, kontrollierten Haltung und ohne Soja-Futter aus Waldzerstörung.
Über Greenpeace e.V.
Greenpeace arbeitet international, setzt sich mit direkten, gewaltfreien Aktionen für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur und Gerechtigkeit für alle Lebewesen ein.
Kontaktdaten
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- Stephanie Töwe-Rimkeit
- Expertin für Agrarwende, nachhaltige Landwirtschaft, Lebensmittel (insbesondere tierische Produkte) und Konsum
- stephanie.toewe-rimkeit@greenpeace.org
- 0171-8780838
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