Tschernobyl, 16.4.2020 – Die Brände in der Sperrzone rund um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine haben auf 48.700 Hektar, einer Fläche halb so groß wie Berlin, Radioaktivität aufgewirbelt. Das zeigt eine aktuelle Greenpeace-Analyse, bei der Satellitenbilder vom Beginn der Feuer bis zum gestrigen Ende des Brandes ausgewertet wurden. Zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung kamen die Waldbrände in der Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk bis auf 1,5 Kilometer an den Sarkophag des Reaktors heran. Zeitweise war die Rauchfahne bis zu 200 km lang 20 Kilometer breit und reichte weit über das rund 100 km Luftlinie entfernte Kiew hinaus. Damit waren die Brände in dem radioaktiv belasteten Gebiet weitaus größer als die Feuer des Jahres 2015 mit rund 17.000 Hektar verbrannter Fläche. “Bei Feuern dieses Ausmaßes geht auch 34 Jahre nach dem Reaktorunglück von den kontaminierten Böden eine große gesundheitliche Gefahr aus”, sagt Heinz Smital, Atomphysiker von Greenpeace.
Die verbrannten Wälder in der Ukraine sind stark radioaktiv kontaminiert. Seit der Explosion des Reaktors 1986 finden sich Cäsium 137, Plutonium 239 und Strontium 90 in der oberen Humusschicht und den Pflanzen. Das Feuer wirbelt das radioaktive Material in die Luft und verteilt es weitläufig mit dem Wind. Menschen, die den Rauch riechen können, atmen die strahlenden und giftigen Partikel auch mit ein. “In der Lunge wirkt Plutonium weitaus schädlicher als auf der Haut”, sagt Heinz Smital. “Der giftige und radioaktive Stoff wird bei Atomunfällen etwas 250 Mal problematischer eingeschätzt als Cäsium 137. Bisher gibt es keine Daten darüber, wie viel Strahlung das Feuer aufgewirbelt und weiter verteilt hat.”
Die aktuellen Zahlen zu den Bränden in der Ukraine stammen von Greenpeace Russland. Dort wertet ein Team der Umweltschützer seit Jahren Satellitenbilder aus, um weltweit Umweltveränderungen und -verbrechen auf die Spur zu kommen. Mit Hilfe von öffentlich zugänglichen Bildern der Nasa konnten die Greenpeace-Expertinnen und Experten bereits in der ersten Aprilwoche kurz nach Ausbruch des Feuers das wahre Ausmaß des Brandes ermitteln. Die ebenfalls in Russland tätigen freiwilligen Waldbrand- Bekämpferinnen und -bekämpfer von Greenpeace, die sogenannten Fire-Fighter, waren an keinem Einsatz in der Nähe von Tschernobyl beteiligt. Sie arbeiten eng mit den russischen Behörden zu den kontaminierten Gebieten in Russland zusammen. Gegenwärtig ruht die Arbeit dort aufgrund der Covid-19-Beschränkungen.
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